Lichtenbergs Dinge, Denken und
Handeln
– eine Einführung in die Ausstellung
„Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen“ (*G 13) – Sätze wie dieser haben Georg Christoph Lichtenberg als Meister der kleinen Form bekannt gemacht: Kluge Gedanken auf wenige Wörter zu verdichten, gehört zweifellos zu Lichtenbergs ganz besonderen Gaben. Dass ihn manche deshalb allein auf seine Bedeutung als Schriftsteller festlegen möchten, wird allerdings der vielseitigen Persönlichkeit ebenso wenig gerecht wie die Anschauung, in ihm allein den ersten deutschen Experimentalphysiker zu sehen.
Um diese Verengung auf zwei Perspektiven aufzubrechen, werden bei DingeDenkenLichtenberg Dinge mit Lichtenbergs Denken und Handeln zusammengebracht. So entstehen Dreiecke von Objekt, Idee und Praxis. Um ein Beispiel zu geben: Dem sogenannten tierischen Magnetismus oder Mesmerismus, Versuchen mit einer angeblichen Heilkraft von Magneten (die Objekte), steht Lichtenberg skeptisch gegenüber: Was hier zu Erfolgen führt, ist seiner Ansicht nach nicht das physikalische Phänomen der magnetischen Anziehung, sondern die menschliche „Einbildung“ (die Idee). Trotzdem behandelt Lichtenberg die Zahnschmerzen seiner Frau mit Magneten (die Praxis) – ist dies ein bewusster Einsatz seiner Erkenntnis, oder doch eher die Hoffnung, er könne sich geirrt haben?
Zu diesem Ansatz – Objekt, Idee, Praxis –, der die ganze Ausstellung durchzieht, kommt eine Gestaltung des Ausstellungsaufbaus, die zwei für Lichtenberg besonders wichtige Lebenswelten in Erinnerung ruft: Die akademische Sphäre der Universitätsgebäude in der Stadt auf der einen Seite, und seine Rückzugsorte, vor allem in Form verschiedener Gartenhäuser, auf der anderen Seite. Stadt und Garten sind für Lichtenberg keine völlig voneinander abgetrennten Welten, er ist in beiden Bereichen naturwissenschaftlichen, philosophischen und allgemein menschlichen Fragestellungen nachgegangen. Der Kirchenraum und die hohen Bücherregale erinnern an die Hochschule mit ihren Begegnungen, mit der Kommunikation, dem Austausch, für die nicht erst im 18. Jahrhundert der Begriff der Gelehrtenrepublik geprägt wurde. Im Gartenhaus jedoch ist Lichtenberg dem Trubel des städtischen Lebens und der akademischen Verpflichtungen entzogen; hier schärft er seine Sinne, achtet auf Geräusche und macht sich Gedanken über verstorbene Freunde, Verwandte und Bekannte. An Lichtenbergs Gartenhäuser wird in der Ausstellung mit freistehenden Vitrinen erinnert, deren Hausform auf abstrakte Weise der großen öffentlichen Kirche kleine Rückzugsr.ume einverleibt. Diese Bezüge werden unterstützt durch das vergrößerte, zeitgenössische Göttingen-Panorama, aus dem Blickwinkel von Lichtenbergs drittem und letztem Gartenhaus von Norden auf die Stadt gesehen.
Schon unter seinen Zeitgenossen galt Lichtenberg als Persönlichkeit mit vielen Facetten und Interessen. Er war präziser Beobachter und pointierter Kommentator, experimentierfreudiger Physiker, populärer akademischer Lehrer und stets neugieriger Denker. Ganz bewusst nimmt DingeDenkenLichtenberg nur eine mögliche Auswahl dieser Aspekte in den Blick – und lädt ein zum eigenen Nachdenken über diesen vielseitigen Akteur der Aufklärung(en).
Ausstellungsimpressum
VERANSTALTER
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, dem I. Physikalischen Institut und der Zentralen Kustodie der Georg-August-Universität Göttingen sowie der Lichtenberg-Gesellschaft e.V.
PROJEKTLEITUNG
Johannes Mangei
KURATOR
Steffen Hölscher
AUSSTELLUNGSTEAM
Marie Luisa Allemeyer, Andreas Bresler, Christian Fieseler, Silke Glitsch, Steffen Hölscher, Johannes Mangei
AUSSTELLUNGSTEXTE
Steffen Hölscher, Albert Krayer und
Thomas Nickol
ÜBERSETZUNGEN
Steven Tester
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Andreas Bresler, Silke Glitsch, Lars Jakob, Katrin Pietzner
VIRTUELLE AUSSTELLUNG
Thomas Konradi
lichtenberg.gbv.de
AUSSTELLUNGSDESIGN UND -PRODUKTION
SPACE4 GmbH, Stuttgart
TYPES ON FOIL GmbH, Werheim
USP GmbH, Bovenden
AUSSTELLUNGSMEDIEN
Klangerfinder GmbH & Co KG, Stuttgart
Zentrale Einrichtung für Sprachen und Schlüsselqualifikationen der Georg-August-Universität Göttingen /
Theater im OP, Göttingen
Klar&Deutlich Veranstaltungstechnik GbR, Göttingen
VISUELLE KOMMUNIKATION
Brennwert GbR, Hamburg
KURATORIUM
Ulrike Beisiegel
Ulrich R. Christensen
Heinrich Detering
Rainer Hald
Klaus Hübner
Rolf-Georg Köhler
Stefan Tangermann
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT
Marie Luisa Allemeyer
Hans Erich Bödeker
Ernst Böhme
Marian Füssel
Martin van Gelderen
Heike Gfrereis
Ulrich Joost
FÖRDERER DER AUSSTELLUNG:
AKB Stiftung
Klosterkammer Hannover
Niedersächsische Sparkassenstiftung
Sparkasse Göttingen
Refratechnik GmbH
Zufall logistics group